_Text von Peter Handel

Daniel Kiessler ist Zeichner aus Passion.

Zunächst beginnt er vor einigen Jahren seine Karriere als talentierter, junger Comiczeichner. Er arbeitet als „freelance illustrator“ für einige internationale Comic Verlage. Schon bald erkennt er, dass die Beschäftigung mit „Fantasy Wesen“ nicht seine eigentlichen künstlerischen Visionen befriedigen kann. Nach seinem Studium wird er freischaffender Künstler und unterrichtet als Dozent an einer Fachhochschule.

Das zentrale Motiv seiner künstlerischen Arbeit ist die „Frau“, inszeniert in zahlreichen fotorealistischen Zeichnungen. Er zeichnet überwiegend junge Frauen in Pin-up-Posen, daneben realisiert er auch Zeichnungen, die eher der ästhetischen Auffassung eines Egon Schieles entsprechen, sie konzentrieren sich auf die zeichnerische Durchführung des Kopfes, die restliche figurative Darstellung klingt in einer zarten Linienführung aus. Andere kunsthistorische Berührungspunkte lassen sich zu Künstlern wie Mariano Vargas und Mel Ramos erkennen. Während Mariano Vargas sich jedoch mit seinen Pin-up-Aquarellen im Einklang mit dem vermittelten Frauenbild von Männermagazinen zu befinden scheint, Mel Ramos seine Pin-up-Girls sich mit Konsumfetischen räkeln lässt, sie und sich selbst mit ihnen in klassische Motive der Malerei transportiert und somit eine ironische Distanz herstellt, schafft Daniel Kiessler in seinen erotischen Darstellungen eine unterkühlte Atmosphäre und dadurch Distanz und Spannung. Trotz ihrer scheinbaren Nähe zu der bunten einladenden Welt von Herrenmagazinen verfallen Kiesslers Zeichnungen so nicht in deren Klischees. Seine Figuren haben ihren eigenen Stil gefunden. Mädchen in Pin-up-Posen sind transformiert in Kunstwesen von unterkühlter Distanz.

Um dieses künstlerische Gegenmodell zu formulieren, wählt Daniel Kiessler die Reduktion der Mittel. Er beschränkt sich auf eine Darstellung in schwarz-weiß und eine Isolierung der Körperlichkeit.

Als Material wählt er hochweißes, glattes Zeichenpapier und Grafitstifte unterschiedlicher Härtegrade. Dies ermöglicht ihm höchste Kontraste, weichste Übergänge und feinste Details, es entsteht eine eigene und unverwechselbare zeichnerische Handschrift, die er virtuos beherrscht.

Kiesslers Zeichnungen sind hochgradig subtil und ausdifferenziert. Der Kontrast zwischen Schwarz und Weiß ist elementar und voller Spannung. Vermittelnd zwischen diesen Extremen liegen Grautöne zartester Abstufungen. Ein weiteres auffälliges Element seiner Zeichnungen sind feinste Strukturen in den Haaren, Tattoos und Textilien seiner Modelle. Hier führt Daniel Kiessler den Grafitstift mit unglaublicher Präzision und Feinheit vom fast hingehauchten Grau bis zum tiefsten Schwarz. Ergänzt wird diese Vielfalt an Strukturen durch mikro-feine, filigrane Lichter in den Frisuren. In Korrespondenz mit dem hohen Kontrast der Zeichnungen, sowie der Weichheit ihrer Übergänge und durch eine weitgehende Freistellung der Modelle erreicht er eine Bildstimmung von irritierender Schönheit, erotisch und dennoch distanziert.

Für mich sind Daniel Kiesslers erotische Zeichnungen in ihrer Strenge neu und aufregend.

Peter Handel

 

Übersetzung Deutsch/ Englisch von Peter Beuser

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